Fachkräftemangel. Ein Wort, so oft benutzt, dass viele es nicht mehr hören können. Für Unternehmen, die für ihre Produkte und Dienstleistungen qualifiziertes Personal benötigen, ist es eine tägliche Lebensrealität, der sie sich längst angepasst haben. Auch CoviD19 hat daran wenig verändert. Die Arbeitslosigkeit ist zwar in die Höhe geschnellt, in den meisten Branchen wurden Fachkräfte aber maximal auf Kurzarbeit geschickt. Unternehmen haben viel Zeit, Geld und Energie aufgewendet, um qualifizierte Mitarbeiter*innen zu finden, einzuschulen und zu entwickeln. Entlassungen sind immer unangenehm, es wäre aber auch kaufmännisch höchst bedenklich, die guten Leute in einer Krise freizustellen. Darum macht es auch kaum jemand und wenn, dann nur an einzelnen Positionen. Auf den Arbeitsmarkt kommen vor allem jene Fachkräfte, deren Unternehmen die Krise nicht übersteht. Und das sind am Ende, so ist zu hoffen, nicht allzu viele. Wer in den nächsten Monaten wachsam ist und rasch Entscheidungen trifft, hat sicher die Chance, das eigene Team konstruktiv zu verstärken.
Der Mangel verschärft sich
CoviD19 ist allerdings maximal eine kurzfristige Abbremsung eines nicht aufzuhaltenden Trends. So ist die Vermutung, dass durch die aktuelle Gesundheits- und Wirtschaftskrise der Fachkräftemangel behoben wäre, sicher falsch. Das genaue Gegenteil wird der Fall sein, CoviD19 zum Trotz. Die Gründe dafür nehmen ihren Ursprung schon in der Zeit der Industrialisierung (keine Sorge der Geschichtsexkurs wird nur ein kurzer sein):
Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Industrielle Revolution das Leben der Menschheit so sehr und so nachhaltig veränderte, haben sich die sogenannten „Maschinenstürmer“ formiert, um die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Maschinen zu verhindern. Sie waren nicht erfolgreich. Und sie hatten auch nicht recht, zumindest nicht langfristig. Die Industrielle Revolution hatte zwar tatsächlich Arbeitsplätze vernichtet, aber gleichzeitig noch viel mehr geschaffen. Durch die Maschinen waren plötzlich enorm viele Tätigkeiten möglich, die vorher gar nicht denkbar waren. Dasselbe passierte bei der 2. Industriellen Revolution, als der elektrische Strom das Leben der Menschen wieder massiv veränderte. Auch hier gab es namhafte Wissenschaftler, die überzeugt davon waren, dass dies zur enormen Vernichtung von Arbeitsplätzen führen würde. Und wieder war das absolute Gegenteil der Fall. Trotz starker und rascher Steigung der Bevölkerungszahl kam es über einen längeren Zeitraum gesehen zu keiner Massenarbeitslosigkeit. Bei der dritten Industriellen Revolution, den Computern, gab es dieselben Sorgen und denselben Effekt, allerdings wurde dabei etwas in Gang gesetzt, das sich bei der jetzigen vierten Industriellen Revolution, dem Internet of Things, nun vollends entfaltet: Der technologische Fortschritt bietet viel mehr Arbeitsplätze als er vernichtet und viel mehr Möglichkeiten als sich das zur Jahrtausendwende noch jemand im Detail vorstellen konnte, aber, und dieses „Aber“ ist groß, diese Möglichkeiten können oftmals nur noch von hochqualifizierten Spezialist*innen gehoben werden.
Dadurch stehen großen Ideen und Möglichkeiten einer Vielzahl von Menschen gegenüber, die nicht die nötigen Qualifikationen dafür erfüllen. Daher ist es nur naheliegend und sinnvoll, dass Staaten und Unternehmen Ausbildungen dahingehend massiv fördern. Je nach Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit können die benötigten Fähigkeiten rasch oder erst nach vielen Jahren erworben werden. Es gibt nun viele denkbare Entwicklungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Aber egal, ob der neoliberale Kurs noch länger anhält oder ob es zur großen ökologischen Wende kommt. Egal, ob maximaler Leistungs- und Wachstumsfokus oder bedingungsloses Grundeinkommen. Die Möglichkeiten für Entwicklung und Erfolg werden enorm vielfältig sein, und um die Bedürfnisse einer Gesellschaft zu befriedigen und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, bedarf es immer Fachkräften. Denn je mehr erfunden wird und je besser Erfindungen sind, desto vielfältiger sind die Optionen und desto mehr Spezialist*innen werden benötigt. Und im 21. Jahrhundert können diese vielfältigen Möglichkeiten eben oftmals nur noch von Fachkräften umgesetzt werden.